In Zeiten der Digitalisierung niemanden zurücklassen: Erfahrungen älterer Menschen in Europa

Ausschnitt aus dem Titel der Einladung

Welche Erfahrungen machen ältere Menschen bei der Nutzung digitaler Medien in verschiedenen Ländern Europas und welche Rolle spielen dabei die Menschenrechte? Einen Einblick darin bot der Online-Workshop am 24. September, der von der Geschäftsstelle Internationale Altenpolitik der BAGSO im Rahmen der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft organisiert wurde.
Heidrun Mollenkopf, Mitglied des BAGSO Vorstandes und Vizepräsidentin der AGE Plattform Europe, dem Netzwerk europäischer Nichtregierungsorganisationen für und von älteren Menschen und Frau Dr. Claudia Mahler, die Unabhängige Expertin für die Rechte älterer Menschen, bei den Vereinten Nationen, eröffneten die Veranstaltung.


„Ich möchte ein Bewusstsein schaffen, dass es die Rechte älterer Menschen gibt, dass sie beachtet werden, dass es Lücken gibt und dass die Umsetzung verbessert werden muss.“ Die Leitlinie ihres Mandates bestehe darin, für alle Älteren ihre Stimme zu erheben, erklärte Dr. Mahler.
Einzelne Monitoring Mechanismen der Vereinten Nationen, die sich mit den Rechten auf Gesundheit oder Wohnen auseinander setzen, zeigen, dass die Älteren als Gruppe hauptsächlich im Bereich der Pflege vorkommen und in anderen Bereichen noch stärker betrachtet werden müssen. Das gilt besonders, wenn es um Zugangsbarrieren zum Gesundheitssystem geht oder bei der Frage, wie Wohnen für Ältere gestaltet werden muss und welche Assistenzsysteme es braucht, um möglichst lange, selbstbestimmt zuhause wohnen zu können.


Ältere Menschen müssen im Bereich der Digitalisierung eingebunden werden. Das Menschenrecht der Teilhabe ist hier nicht in allen Bereichen gegeben, was mit strukturellen Zugangsbarrieren zusammen hängt. So sind zum Beispiel Pflegeheime noch nicht flächendeckend mit W-LAN ausgestattet. Oftmals erhalten diejenigen, die Unterstützung benötigen würden, um sich mit diesen Geräten auseinander zu setzen, diese nicht in dem erforderlichen Maße. Für viele Ältere kann eine große Zugangsbarriere in der Unsicherheit bestehen, was mit den passiven Daten passiert. Um eine Diskriminierung im Bereich der digitalen Medien zu vermeiden, ist es unerlässlich, einen Zugang oder Alternativen anzubieten, um wichtige Informationen bekommen zu können, auch wenn die entsprechende technische Ausstattung und die Infrastruktur dafür nicht vorliegen.


Mahler appellierte an die Teilnehmenden: „Seniorinnen und Senioren haben eine große Macht. Sie sind eine große Wählergruppe, speziell wenn man auf Deutschland schaut. Diese Macht müssen Sie nutzen.“ Sie können sich in eigener Sache an ihre Regierungen wenden und klar machen, wo sie selber Bedarfe sehen und wie man sie umsetzen kann. Um das bei den Vereinten Nationen sichtbar zu machen, könne man sich an sie oder an das Mandat wenden.


In vier Arbeitsgruppen, die sich mit der Situation der Älteren in Portugal, den Donauländern, Slowenien und Frankreich beschäftigten, wurden Ergebnisse zusammengetragen, wie in Zeiten der Digitalisierung ältere Menschen besser einbezogen werden könnten. Dazu wurden vorab die Lebenssituation Älterer in dem jeweiligen Land beleuchtet und hinterfragt, wo und wie Ältere Unterstützung zur Nutzung digitaler Medien erhalten können. Gemeinsam ist allen, dass viele ältere Menschen das Internet nicht nutzen können, weil sie keinen Zugang zum Internet haben oder sich das finanziell nicht leisten können. Zur Verbesserung der Teilhabe älterer Menschen in Bezug auf digitale Medien wurden folgende Vorschläge erarbeitet:

 

  • Mehr infrastrukturelle Möglichkeiten für ältere Menschen um das Internet nutzen zu können, insbesondere in ländlichen Gebieten. Das betrifft vor allem Osteuropa.
  • Kostengünstigere Lösungen für ältere Menschen, damit für sie die Möglichkeit besteht, sich die entsprechenden Geräte zu kaufen, wie dies zum Beispiel für Studierende oder Lehrkräfte in einigen Ländern bereits der Fall ist.
  • Unterstützung für ältere Menschen im Umgang mit Online-Tools und Sichtbarmachen des Nutzens für die Älteren, da sie sich oft mit diesen neuen Techniken überfordert fühlen, sowie Unterstützung von Netzwerken, die diese Hilfe leisten. Das könnte zum Beispiel durch digitale „Erfahrungsorte“ in jeder Stadt erfolgen, an denen Ältere erleben können, was man mit digitaler Technik machen kann, dass man mit „Smart Home“ länger selbstbestimmt zuhause leben, in der Pflege Unterstützung erhalten und mehr Teilhabe mit dieser Technik erlangen kann.
  • Die Digitalisierung der Verwaltung sollte nach einheitlichen Gesichtspunkten erfolgen um zu verhindern, dass jeder Verband, jede Verwaltung, jede Firma, jeder Anbieter seine eigenen Regeln macht. Die Entwicklung von Standards kann hilfreich sein, um Normen zu erstellen, die einen Zugang zu digitalen Technologien sicherstellen.
  • Schulungen von Beschäftigten und Auszubildenden in für ältere Menschen relevanten Berufsgruppen, um Ältere besser beraten und unterstützen zu können.
  • Eine Verbesserung des Schutzes der Rechte von Nutzerinnen und Nutzern digitaler Medien und des Datenschutzes, egal wo die Daten verarbeitet werden.
  • Beschwerdestellen oder Ansprechpartner sind auf Internetseiten oft nur sehr schwer auffindbar. Es müsste für jede Internetseite vorgeschrieben werden, dass Beschwerdestellen, beziehungsweise die telefonische Erreichbarkeit sofort sichtbar sind.
  • Entwicklung neuer Formen der Wissensvermittlung und niedrigschwellige Angebote, um ältere Menschen besser einbeziehen zu können.
  • Einheitlichere Benutzeroberflächen.

Nicola Röhricht, Referentin für Digitalisierung und Bildung bei der BAGSO, sprach sich für das Beibehalten analoger Möglichkeiten aus und machte abschließend auf drei Beispiele der BAGSO aufmerksam, die sowohl analog als auch digital genutzt werden können. Das sind die folgenden Projekte:

  • Im Alter in Form, ein Projekt um gesunde Lebensstile zu fördern und die Potenziale der Gesundheitsförderung für ältere Menschen in Kommunen zu aktivieren.
  • Wissensdurstig.de, ein Portal auf dem Bildungsangebote für Ältere abgerufen werden können.
  • Digital Kompass, der dem Erwerb von digitaler Bildung und digitalen Kompetenzen speziell für Ältere dienen soll.

Weitere Informationen:   

BAGSO
https://www.bagso.de/

AGE Platform Europe
https://www.age-platform.eu/

Im Alter in Form
https://im-alter-inform.de/
Projekt zur Gesundheit/Ernährung im Alter. Es soll sowohl hauptamtliche als auch Multiplikatoren schulen

Wissensdurstig.de
https://www.wissensdurstig.de/

Digital-Kompass
https://www.digital-kompass.de/