Das sichtbare Zeichen einer neuen Generation: SilberPreneure - Happy aging statt anti aging

portrait eines Mannes, der in die Kamera lächelt

„Wir sind feinstes Silber und kein altes Eisen. Gemeinsam wollen wir eine silberne Delle ins Universum hauen!“ Was steckt dahinter und wer sind die SilberPreneure? Wir wollten mehr darüber erfahren und sprachen mit Günter Röll (70), dem Initiator der SilberPreneure, über die Hintergründe und über seine Motivation.

Wer oder was sind die SilberPreneure und woher kommt der Name?

Wir sind ein Netzwerk von Selbständigen, unternehmerisch denkend und im besten Alter. Der Name leitet sich ab von Silber (von ein bisschen älter) und Preneur (von „Entrepreneur“ – Unternehmer). Wir sind 50+, 60+ 70+ und folgende. Bei uns gibt es keine Grenze nach oben.

Wie kamen Sie auf die Idee einen solchen Verein zu gründen?

Als ich die 60 überschritten hatte, wurde ich dauernd gefragt: „Wann gehst du in Rente?“ Als ich dann auf die 65 zuging, hieß es: „Bist Du noch nicht in Rente?“ Und als ich dann schon drüber war hieß es: „Warum bist du noch nicht in Rente?“ Darauf antwortete ich: Hallo Leute, was soll ich denn da!? Ich fragte mich, warum die meisten Menschen davon ausgehen, dass man mit 65 in Rente geht und warum man immer noch ab 60 zum alten Eisen gezählt wird.

Ich bin jetzt 70 und höre paradoxerweise oft: Ach du siehst ja gar nicht aus wie 70. Nein, das ist nicht wahr! Ich sehe aus wie die heutigen 70jährigen, aber nicht wie die 70jährigen des letzten Jahrhunderts. Das wiederum habe ich mit fast allen Altersgenossinnen und Altersgenossen gemeinsam.

Als ich mich näher mit dem Thema Altersbilder beschäftigte merkte ich, dass ich aus dem „üblichen“ Rollenbild der Älteren falle. Aber nicht nur ich, sondern fast eine Million Selbstständige mit mir, die schon älter als 60 Jahre sind. Somit war klar: Ich muss was tun.

Deshalb habe ich im April 2021 eine Facebookgruppe gegründet. Ich wollte zeigen, dass Selbstständige im besten Alter feinstes Silber und noch lange nicht altes Eisen sind und schauen, ob es da draußen auch noch andere wie mich gibt oder ob ich der Einzige bin. Es gibt genügend andere! Wir sind in unserem Netzwerk mittlerweile fast 4000 Mitglieder. Die Gruppe ist sehr schnell gewachsen, da sehr viele Selbstständige älteren Jahrgangs sind. An einem Tag hatten wir 124 neue Mitglieder aufgenommen. Daran merken Sie, dass dieses Thema viele Menschen betrifft.

Dann hat sich die ganze Sache verselbstständigt und ich habe gemerkt: Das wird eine Lebensaufgabe für mich, denn während der Pandemie stellte ich fest, dass die Soloselbstständigen keine Lobby hatten.

Welche Ziele verfolgen Sie? Was wollen Sie erreichen?

Wir wollen unser Wissen und unsere Erfahrung zusammenbringen und uns gegenseitig stärken. Wir geben auch Hilfestellung für Menschen, die sich selbstständig machen wollen. Das Gefühl, nicht mehr alleine, sondern Teil einer großen, starken Gemeinschaft zu sein und dabei in der Gruppe aufgefangen zu werden tut einfach gut und gibt Sicherheit.

Bei uns gibt es einige die sagen: „Ich war mein ganzes Leben selbstständig und habe vergessen, mir einen Freundeskreis aufzubauen.“ Solo heißt nicht nur allein. Es kann auch einsam bedeuten. Wir wollen deshalb wieder mehr Präsenzveranstaltungen durchführen. Gerade Ältere brauchen das, denn sie möchten sich auch mal in den Arm nehmen.

Wir haben auch einen gesellschaftlichen Auftrag. Die vorherrschenden Altersbilder sind so starr und überholt. Die müssen wir einfach aufbrechen. Wir wollen zeigen, dass wir nicht die Exoten sind, sondern dass wir das neue „Normal“ sind. Dass man mit 70 noch rüstig ist und Wissen an die nächsten Generationen weiter vermitteln kann. Umgekehrt ist es genauso wichtig, dass jüngere Mitarbeitende ihr Wissen an die Älteren weitergeben und die Älteren von den Jungen lernen.

Was zeichnet Ihren Verein aus, beziehungsweise was unterscheidet Sie von anderen Vereinen?

Wir unterscheiden uns von den klassischen gemeinnützigen Vereinen. Meistens, wenn man einen Verein gründet, hat das die Intention, dass die Mitglieder gemeinsam etwas unternehmen. Zum Beispiel eine Sprache erlernen, Kindern beim Lernen helfen, Fußball spielen. Wir sind breiter aufgestellt. Wir wollen als Gruppe nicht nur für uns selbst da sein oder ausschließlich als Kämpfer für unsere Rechte auftreten, sondern mit unserem Erfahrungswissen zu einer besseren Zukunft beitragen und selbst mit Taten voranzugehen.

Dazu kommt noch, dass wir als neue Generation der jungen Alten so dermaßen verschieden sind. Wir haben uns ja dazwischengedrängt, zwischen Erwerbstätigkeit und Ruhestand. Wir haben eine enorme Bandbreite an Lebensentwürfen und unser Verein muss diese Bandbreite widerspiegeln.

Wer kann mitmachen?

Jede Person über 50, die selbstständig ist oder sich mit dem Gedanken trägt, selbstständig zu werden. Auch hier spiegelt sich eine große Vielfalt wider: Gerade unter den Soloselbstständigen 60plus gibt es viele, die allein von ihrer Rente nicht leben können. Die Selbstständigkeit ist hier eine gute Ergänzung. Andere sind finanziell gut versorgt und arbeiten noch, weil es Spaß macht. Eine kleine Gruppe von uns war schon immer selbstständig. Ein anderer Teil besteht aus Leuten, die schon um die 40 gesagt haben, das tue ich mir nicht mehr an und deshalb aus dem Angestelltenleben ausgestiegen sind, um sich selbst besser verwirklichen zu können. Und dann sind noch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit 50plus freiwillig oder unfreiwillig aus dem Angestelltendasein ausgeschieden sind und sich fragen: So, und was mache ich jetzt?! Wie bekomme ich das hin, dass ich mein Wissen gut weitervermitteln kann, aber so, dass ich noch gewisse Freiheiten habe? Auch die wollen wir auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit begleiten.

Was ist der Nutzen für Ihre Mitglieder?

Gerade als Soloselbstständige sind wir beruflich sehr auf uns allein gestellt und müssen von der Buchhaltung bis zum Verkauf alles selbst machen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns zusammenschließen und uns gegenseitig unterstützen. Gerade in einer Zeit der schnellen Veränderungen reicht der Tag einfach nicht aus, um überall auf dem Laufenden zu bleiben.

Die Stärke bei uns älteren Selbstständigen ist unser Erfahrungswissen. Unsere Schwachstelle ist meist das Verkaufen. Deshalb wollen wir die SilberPreneure quasi als Marke etablieren und gemeinsam unsere Leistungen anbieten.

Auch beim Thema Fachkräftemangel wollen wir unsere Expertise einbringen. Wir wollen daher ein kompetenter Ansprechpartner für Politik und Wirtschaft sein, um unser Erfahrungswissen noch effektiver einbringen zu können.

Welche Branchen sind vertreten?

Die Zusammensetzung ist bunt gemischt. Eigentlich sind fast alle Branchen vertreten, wobei wir derzeit noch sehr dienstleistungslastig sind.

Wie kann ich mitmachen?

Wir haben mehrere Andockmöglichkeiten. Da ist zum einen die Facebookgruppe und in Kürze auch eine Gruppe in LinkedIn. Beides dient als eine Art Marktplatz, um sich mit der Idee der SilberPreneure vertraut zu machen und viele nette Leute kennen zu lernen.

Für den Businessbereich haben wir ein internes Mitgliedersystem geschaffen, das wir AktivRaum nennen. Hier kann man nach anderen Mitgliedern suchen, die aus der eigenen Region kommen oder in der gleichen Branche tätig sind. Dort gibt es auch einen sehr umfangreichen Aus- und Weiterbildungsbereich. Ganz wichtig ist auch die Möglichkeit, sein Erfahrungswissen in Form von kleinen Videos oder kurzen Abhandlungen in elektronischer Form für die Nachwelt zu erhalten.

Wer gesellschaftspolitisch aktiv werden will, findet als Mitglied in unserem gemeinnützigen Verein sein Haupttätigkeitsfeld.

Sie haben die aktuelle Studie der Antidiskriminierungsstelle gelesen. Was sagen Sie dazu?

Wenn laut Studie ein Drittel der Befragten sagt, die Alten sollen den Jungen Platz machen, dann frage ich mich, welchen Jungen? Wir als Babyboomer-Generation sind die stärkste Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Der bereits jetzt vorherrschende Fachkräftemangel rührt hauptsächlich daher, dass schon viele von uns sich bereits aus dem Arbeitsleben verabschiedet haben. Und jetzt sollen wir auch noch für Jüngere Platz machen, die zahlenmäßig gar nicht in der Lage ist, uns zu ersetzen? Das ist nicht nur diskriminierend, das ist schlicht realitätsfremd.

Ich hätte da einen viel effektiveren Vorschlag: Warum tun wir uns nicht zusammen? Die neuen Ideen der Jungen kombiniert mit der Erfahrung der Älteren, denn schließlich können beide voneinander lernen. Viele Konzerne arbeiten schon sehr intensiv an Modellen einer gemeinsamen Führungsverantwortung. Der Mittelstand hinkt da leider noch etwas hinterher.

Sind Sie der Ansicht, dass immer noch stereotype Altersbilder vorherrschen und warum ist Ruhestand ein Unwort für sie?

Wir leben immer noch mit den Altersbildern des letzten Jahrhunderts. Damals lag das Renteneintrittsalter bei 65 Jahren und die durchschnittliche Lebenserwartung bei 67 Jahren. Das heißt, man hatte damals nach der Pensionierung im Durchschnitt noch zwei Jahre zu leben. Da machte es Sinn, eine starre Grenze zwischen Arbeitsleben und Rentendasein zu ziehen. Aber doch nicht mehr heute! Heute ist die Zeit nach der Pensionierung auf 15 bis 20 Jahre angewachsen, und sie wird immer länger, weil wir immer weniger körperlich hart arbeiten müssen und der medizinische Fortschritt uns immer mehr Krankheiten erspart. Auf der anderen Seite wird die Bandbreite in allen Lebensbereichen immer größer: Die einen spüren schon körperliche Einschränkungen und die anderen tanzen noch Rock‚n‘Roll. Die einen haben genug vom Arbeitsleben und die anderen fangen noch einmal ganz von vorne an. Die einen lieben die Regelmäßigkeit und die anderen bejubeln jede Abwechslung. Die einen verwirklichen sich in einer ehrenamtlichen Tätigkeit und die anderen wollen noch eine bezahlte Leistung erbringen. Es gibt wirklich keinen vernünftigen Grund mehr, einen starren Renteneintrittszeitpunkt festzulegen, alle über 60 als Senioren und alle über 65 als Rentner zu kategorisieren.

Es geht ja noch weiter: Weder unser Körper noch unser Gehirn sind darauf ausgelegt, 20 Jahre lang nichts zu tun. „Use it or lose it“, heißt es so schön. Genau deshalb ist Ruhestand für mich ein Unwort. Ich habe es für mich ersetzt durch „Selbstverwirklichungszeit“ als treffenden Begriff für einen neuen, von vielen Zwängen befreiten Lebensabschnitt, bevor wir dann tatsächlich alt sind.

Eine der zentralen Herausforderungen in unserem Land ist das Erreichen der Klimaziele. Bringen die SilberPreneure sich aktiv dazu mit ihrem Erfahrungsschatz ein und können Sie vielleicht dazu praktische Beispiele nennen?

Klimaschutz ist bei den SilberPreneuren eigentlich kein Gesprächsthema, sondern Teil des normalen Alltags. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir schon sehr früh für das Thema sensibilisiert wurden. Ich erinnere mich noch gut an die Diskussionen, als Anfang der 1970er Jahre der Club of Rome zum ersten Mal vor einer Klimakatastrophe warnte. Vielen Jüngeren ist gar nicht bewusst, dass wir Vorreiter für viele Veränderungen waren. Es wäre schön, wenn das mehr Anerkennung fände.

Ich sehe die Babyboomer-Generation nicht als Bremser, sondern als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. In unserer Generation ist die Partei der Grünen und Greenpeace entstanden. Meine Getreidemühle wird jetzt 45 Jahre alt. Wir waren eine Generation, die selbst Brot gebacken und gegen Kernkraft demonstriert hat. Wir SilberPreneure sehen es daher auch als unsere Aufgabe an, zu erzählen, warum bestimmte Entwicklungen so verlaufen sind.

Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch und für Ihre Einblicke in die Arbeit der SilberPreneure.

Fotos: Claudius Baritz/BAFzA

 

Weitere Informationen

SilberPreneure
https://silberpreneure.de/

SilberPreneure auf Facebook
https://www.facebook.com/groups/silberpreneure /