Schwule und Alter – Der BISS Fachtag 2023

Hinterkopf eines älteren Mannes, der Höhrgeräte in den Ohren hat. Im Intergrund ist ein Roll Up mit dem Schriftzug BISS zu sehen.

Gutes schwules Alter(n) ist eine Grundsatzangelegenheit für die LSBTIQ*-Community. Auf der Fachtagung der Bundessinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) am 15. September 2023 im Magnus-Hirschfeld-Centrum in Hamburg diskutierten die Teilnehmenden, was es braucht, um als schwuler Mann gut älter werden zu können.

 

Mehr Rechte für Schwule

Andreas Kringe, Vorstandsvorsitzender von BISS, sprach von der Sorge über Angriffe auf Mitglieder der Community und die Anfänge der Schwulenbewegung seit den 80er Jahren.  Seit dem habe die schwule Community einige Rechte errungen. Dazu gehört zum Beispiel, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, die Rehabilitierung und Entschädigung Betroffener der §§ 175, 175a Strafgesetzbuch (StGB) und § 151 StGB-DDR. Für das Engagement in diesem Bereich erhielt die Bundesinteressenvertretung im Jahr 2017 den Jean-Claude-Letiste Preis der Aidshilfe Köln. Seit April 2023 dürfen "sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien " für das Spenden von Blut sein. Sexuell aktive homosexuelle Männer waren bislang pauschal vom Blutspenden ausgeschlossen. Diese Diskriminierung endet nun. Er stellte spezielle Wohn- und Pflegeheime für ältere schwule Männervor und welche Zertifizierungen sie haben.

Es geht nicht nur um Altersdiskriminierung

Anke Hennig, Berichterstatterin für das Thema Queere Menschen in der SPD-Bundestagsfraktion, und Mitglied des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sprach davon, dass die ältere Generation immer vielfältiger wird. Und sie sprach von den Herausforderungen, denen sich ältere schwule Männer stellen müssen. „Neben den üblichen Altersbeschwerden, neuen Technologien müssen sich ältere queere Menschen mit mehr Bürokratie und Einsamkeit und Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung auseinandersetzen.“

Ferda Atermann, die „Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung“, zeigte in ihrer Videobotschaft Ergebnisse einer Studie zu Altersbildern auf und dass viel zu wenig über die Diskriminierung älterer Menschen gesprochen wird. Klischees und stereotype über ältere Menschen seien in der Gesellschaft immer noch fest verwurzelt.

„Wenn wir über queere ältere Menschen reden, geht es nicht um Altersdiskriminierung allein. Ältere queere Menschen haben aufgrund ihrer sexuellen Identität nahezu immer tiefgreifende Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht. Diese Erfahrungen machen einen Unterschied." Es kommen vielleicht wieder Ängste und Blockaden hoch, wenn das darum geht, sich vertrauensvoll in die Hände einer Pflegekraft zu begeben oder gemeinsame Unternehmungen mit anderen älteren Menschen in einem Altenheim anzugehen oder sich zu öffnen für neue Kontakte.

Wolfgang Schwarz-Heim, Mitglied im German LGBTIQ+ BusinessChamber und Vorstandsmitglied im BISS sprach über Politik für ein gutes schwules Altern, wie es aussehen soll und wie es gelingen kann. Er appellierte an die Politik, aber auch nach innen an die aktiven Mitglieder der Gesellschaft, sich sichtbarer zu machen. „Teilhabe ist nur möglich, wenn Gruppen älterer Männer auch auf dem Land bestehen. Zur Erhöhung der Sichtbarkeit bedarf es einer besseren Vernetzung innerhalb der Community.“

Alt. Schwul. Krank? Herausforderungen in der Pflege

In der anschließenden Podiumsdiskussion sprachen die Beteiligten über das Thema Pflege und wie schwule Männer überhaupt mit Gesundheitsdienstleistungen umgehen. Einer Umfrage der Fachstelle Alter und Vielfalt, Aidshilfe Essen e. V. zufolge haben Viele Angst davor, in die Pflege zu geraten. Lesben haben Angst davor, dass sie männliches Pflegepersonal bekommen. Schwulen Männern ist es fast egal, ob sie von Frauen oder Männern gepflegt werden. Andere Studien zeigen, dass schwule Männer seltener Präventionsangebote in Anspruch nehmen als heterosexuelle Männer. Sie gehen später zum Arzt, weil sie Diskriminierung befürchten.

Solange ein schwuler Mann keine pflegerische Unterstützung benötigt, kann er selber entscheiden, wem er was sagt, wo er wie sichtbar ist oder was er öffentlich macht und was er privat macht. Wenn plötzlich die Pflegeperson zu einem nach Hause kommt, um bei der Körperpflege zu helfen oder beim Anziehen der Stützstrümpfe, dann muss ein schwuler Mann sich entscheiden, wieviel er von sich preisgibt und wieviel nicht.

Ein Kernthema in der Pflege ist das Thema Ausgrenzung und Andersartig sein. Dieses Erlebnis ist identitätsstiftend. Für Pflegeeinrichtungen oder Versorgungsysteme ist es Aufgabe, diese Probleme zu sehen und in ihrer Struktur abzubilden. Wenn ein Mensch pflegebedürftig wird, kann es nicht sein, dass er oder sie die Identität vor der Tür abgeben muss. Sie ist zwingender Bestandteil des Lebens und des Alters. Die Pflegeeinrichtungen stehen vor der Herausforderung, ihr Personal so zu schulen, dass es darum weiß und nachvollziehen kann und bedürfnisgerecht pflegt.

Weiter diskutierten die Teilnehmenden, wie altersheterogene Netzwerke geschaffen und gefestigt werden können, wie innerhalb der Community entsprechende Beratungen angeboten und wie Sorgebeziehungen gefördert werden können. Also, dass Jüngere sich um Ältere kümmern und ein Austausch stattfindet, um die intergenerative Zusammenarbeit zu stärken.

Weitere Informationen

BISS- Bundesinteressenvertretung Schwuler Senioren
https://schwuleundalter.de/

Entschädigung

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) entschädigt Personen, die nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Hand­lungen strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden, Freiheitsentziehung oder ander­weitige, außergewöhnlich negative Beeinträchtigungen erlitten haben.

Anträge auf Entschädigung können bis zum 21. Juli 2027 einschließlich gestellt werden. Mehr unter
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Entschaedigung/Homosexualitaet/Homosexualitaet_node.html

 

*LSBTIQ steht für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen. 

Fotos: Claudius Baritz/BAFzA