Nie zu alt fürs Internet - Teil 2

Portrait Patrick Ney (Gerontologe M.A., Technikberater des Fachbereichs Senioren der Landeshauptstadt Hannover, zuständig für die Digitalisierung der Seniorenarbeit und den technischen Aspekten der alter(n)sgerechten Quartiersentwicklung)

© Patrick Ney

Viele ältere Menschen wollen nicht mehr auf die zahlreichen Möglichkeiten verzichten, die das Internet ihnen bietet. Sie können z. B. die Öffnungszeiten von Arztpraxen, Banken und Geschäften herausfinden, den verpassten Film in der Mediathek ansehen, Produkte bestellen, Nachrichten lesen oder mit der Familie und Freunden per Videochat kommunizieren.


Allerdings ist die Generation 65plus weniger im Internet unterwegs als die jüngeren Internetnutzerinnen und -nutzer.

Patrick Ney begleitet seit vielen Jahren ältere Menschen bei den neuen Technologien und erleichtert ihnen den Einstieg ins Netz. Unter anderem berät er ältere Menschen oder deren Angehörige zu technischen Assistenzsystemen zur Erhaltung der Selbstständigkeit zu Hause. Auch durch die hannoversche Koordinierung der Nachbarschaftsplattform „nebenan.de“ und der Initiierung des ehrenamtlichen Angebots der Medien- und Techniklotsen Hannover (MuTH) unterstützt er die Generation 60plus.

Aus Studien und seiner praktischen Arbeit weiß er, dass insbesondere auch ältere Menschen vom Internet profitieren können. Einige benötigen lediglich eine initiale Unterstützung beim Öffnen des digitalen Fensters und eine alltagsnahe verständliche Erklärung wie folgendes Beispiel zeigt: 

„Eine 81-jährige Frau interessierte sich für ein neues Handy. Am Telefon beschrieb sie sich selbst als „technisch wenig begabt“, da sich bisher ihr verstorbener Mann um diese Dinge gekümmert hatte. Deshalb sollte das Handy möglichst einfach in der Bedienung, jedoch kein unansehnliches Seniorenhandy sein. Schließlich sei sie noch nicht  „s o  alt“. Der Vorschlag ein Smartphone mit vereinfachter Oberfläche zu wählen, welches äußerlich betrachtet wie ein reguläres Smartphone aussieht, verunsicherte sie zunächst. Von Begriffen wie WhatsApp, Google Maps oder WLAN hatte sie noch nie zuvor gehört. Doch Reisen zu recherchieren und selbstständig im Internet zu buchen oder neue Kontakte über die digitalen Medien zu knüpfen, reizte sie. Genau dabei unterstützen die ehrenamtlichen Medien- und Techniklotsen Hannover (MuTH) des Fachbereichs Senioren. Egal ob Smartphone, Computer, Tablet oder E-Book Reader sie geben MuTH. So lernte die 81-Jährige nach mehreren Terminen mit einem geduldigen Techniklotsen bei sich zu Hause die Grundzüge des Smartphones. War sie zu Beginn noch nach einer halben Stunde „nicht mehr aufnahmefähig“, fiel ihr mit der Zeit und vielen Notizen der Umgang mit dem Smartphone immer leichter. Wenn Bedienung und Begrifflichkeiten erst einmal verstanden waren, erfolgte der Umgang mit dem Smartphone intuitiv. Aufgrund der Vergrößerungsmöglichkeiten von Inhalten auf dem Smartphone hat sie sich zwischenzeitlich sogar die digitale Tageszeitung abonniert. 

Mittlerweile besucht die Onlinerin regelmäßig die Sprechstunde der Medien- und Techniklotsen in ihrem Stadtbezirk. Der Austausch mit Gleichgesinnten motiviert sie immer wieder, neue Anwendungen wie z. B. Twitter auszuprobieren. Unter den Teilnehmenden der Techniksprechstunde hat sie sogar einen neuen Lebenspartner gefunden. Auch nach einem Jahr hat sie nie bereut, sich mit Smartphone und Internet auseinanderzusetzen. Jetzt erleichtern Bewertungsportale ihre Reiseplanung oder sie holt sich Strickideen bei Pinterest. Und die mittlerweile versierte Internetnutzerin meint, viele in ihrer Altersgruppe seien zurückhaltend im Umgang mit den neuen Medien, weil sie in der Zeitung immer wieder von Datendiebstahl lesen oder weil sie Angst hätten, etwas kaputt zu machen. Familienangehörige würden das Basiswissen teilweise zu schnell vermitteln und seien bei Fragen nicht immer verfügbar. Dies beobachte sie auch bei ihren Freundinnen; einige sind aber inzwischen ihrem Beispiel gefolgt und absolvieren nun ebenfalls Smartphone Kurse an der Volkshochschule."

Seit Februar 2016 unterstützten 26 ehrenamtliche Medien- und Techniklotsen in knapp 700 Einsätzen Menschen ab 60 Jahren bei den neuen Medien wie dem Internet. Das Konzept wurde im Rahmen der Google Impact Challenge 2016 ausgezeichnet. Knapp 70 Prozent der Teilnehmenden sind weiblich; 65 Prozent sind zwischen 70 und 85 Jahre, 30 Prozent zwischen 60 und 69 Jahre sowie 5 Prozent über 85 Jahre.
Angebote wie die Medien- und Techniklotsen werden zunehmend wichtiger. Denn wer nicht mit den neuen Medien vertraut ist, wird schnell von der digitalen Teilhabe ausgeschlossen und im zunehmend technisierten Alltag auch von der Teilhabe am öffentlichen Leben.


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Weitere Links
Broschüre „Nie zu alt fürs Internet“