Vielleicht haben Sie sich auch schon gefragt, wie ältere Menschen heute ihre Zeit verbringen. Wir sprachen mit Christine Class aus Aalen und waren sehr überrascht. Auf die Frage, was sie denn im Ruhestand mache, antwortete sie:
„Ich bin doch gar nicht im Ruhestand. Ich mache immer noch Supervisionen und habe gerade so interessante Aufträge.“
Erfahrungswissen ist eine große Stärke von älteren Menschen und Christine Class ist Expertin darin, Ihr Wissen und ihre Erfahrungen an andere weiterzugeben und sich ehrenamtlich in der Stadtteilentwicklung zu engagieren.
Christine Class sprüht vor Ideen. Sowohl auf EU- und Bundesebene als auch in ihrer Heimatstadt Aalen hat sie zahlreiche Projekte ins Leben gerufen. Es ist ihr eine Herzensangelegenheit, dass diese Projekte nachhaltig sind und das Miteinander im Stadtteil fördern.
So organisierte sie zum Beispiel einen Nachhaltigkeitsspaziergang mit 12 Stationen im Stadtteil. Menschen aller Altersgruppen – von 9 bis über 80 Jahre – nahmen daran teil .
Die Müllpatin
Christine Class ist auch Müllpatin. Für dieses Projekt wurde Sie im März vom Landkreis für innovatives Engagement ausgezeichnet. Drei Monate lang sammelte sie mit den Kindern im Stadtteil Müll. „Diese Säcke voller Müll standen danach bei mir im Garten, bis ich den Müll mit den Kindern auf dem Wagnerplatz sortiert habe. Die Kinder waren erstaunt darüber, wie viele Zigarettenschachteln, kleine Alkoholfläschchen, Kleidung, Papier und was sonst noch alles weggeschmissen wurde. Aus den Abfällen haben wir eine Skulpturenfamilie gestaltet. Über dieses ganze Projekt wurde eine Geschichte geschrieben, die sich so weit entwickelte, dass daraus ein Theaterstück entstanden ist: Eine noch freundliche Aufforderung, Müll zu vermeiden. Dieses wurde sechs Mal im Theater der Stadt Aalen aufgeführt.
Das Projekt wurde dann noch weitergeführt. Die Kinder im Stadtteil haben Geld für unsere Partnerstadt Antakya/Türkei gesammelt für die Aufforstung des abgebrannten Waldes. Die Zweitausend Euro habe ich selbst nach Antakya gebracht und dort auch selbst Bäumchen gepflanzt“ erzählte sie uns stolz.
Noch mehr Engagement
Mit Enthusiasmus versucht sie das Miteinander der Generationen durch weitere Projekte zu fördern und mit Jugendlichen und Erwachsenen ins Gespräch zu kommen. Hier einige ihrer vielfältigen Projekte:
- „ZeitzeugInnen erzählen über die Kriegs- und Nachkriegszeit, vom Bunker im Stadtteil. Diese Geschichten sammele ich und werde sie später veröffentlichen. Ich habe einen Schülersprecher vom Gymnasium gefunden, der mit seinen Mitschülerinnen und -schülern an diesem intergenerationellen Projekt mitwirken möchte, um für unsere Demokratie heute zu lernen.“
- „Im Jahr 2006 übernahm ich für 11 Jahre die Projektleitung und supervisorische Begleitung des interkulturellen Gartens in Aalen mit Menschen aus 18 verschiedenen Kulturkreisen. Mir ist wichtig, dass sich alle einbringen können - und dann nimmt auch jede/r etwas vom anderen mit. Die Menschen teilen ihre Kultur, bringen ihre Fähigkeiten in ganz verschiedenen Projekten ein.“
- Gefragt war auch ihr Projekt zur Gewaltprävention auf Anfrage des Landratsamtes. Frauen aus dem Stadtteil begleiteten Schülerinnen und Schüler aus den 8. und 9. Klassen der naheliegenden Schule dabei, Puppen zu nähen, die für die Gewaltprävention in Kindergarten und Grundschule eingesetzt werden. „Die älteren Frauen fanden das richtig gut. Sie fühlten sich anerkannt und geehrt“.
- „Jetzt bringe ich KünstlerInnen zusammen. Im vergangenen Jahr habe ich eine 100-jährige Künstlerin mit ihren Bildern und ihrem Leben in der Schule sich vorstellen lassen. Irre beeindruckend, wie sie aus ihrem Leben erzählte. Jetzt plane ich eine Vernissage für den nächsten Künstler. Die Künstlerinnen und Künstler im Stadtteil kennen sich noch nicht, ich bringe sie zusammen. Sie werden nun gemeinsame Projekte durchführen.“
Haben Sie auch schon mal negative Erfahrungen aufgrund ihres Alters gemacht?
„Ich glaube, dass ich für manche Leute zu aktiv bin, da sie manchmal Abwertendes über mich sagen. Und manchmal stört mich der Satz: Es sollen die Jüngeren gewählt werden, weil nur die Jüngeren die Jungen verstehen. Aber es geht um Empathie für den jeweiligen Menschen, egal wer sie hat, und wie alt die Person ist!
Und außerdem, die Jüngeren gibt es sowieso nicht. Unter ihnen existiert so eine große Vielfalt, dass ich das als enorme Herausforderung sehe, mich mit vielen unterschiedlichen Jungen auseinander zu setzten und gute Projekte mit ihnen zu entwickeln. Ich versuche einen guten Draht zu ihnen zu finden, obwohl mir bewusst ist, dass ich manche Haltungen oder Sachen nicht mehr so verstehe, zum Beispiel der Umgang mit den neuen Medien.
Ich bin seit meinem 9. Lebensjahr ehrenamtlich tätig und ich glaube, dieses unbekümmert auf Menschen zuzugehen, habe ich von meinem Vater. Mein Mann unterstützt mich in meinen Projekten. Alleine wäre das wirklich schwierig und nicht möglich. Meine Projekte sollen nachhaltig sein. Mir ist es zu wenig, nur zu handeln. Ich möchte wissen, was die Handlungen auslösen. Und ich bin mir der Verantwortung bewusst, die ich als Mensch in einem demokratischen Staat für Gemeinwohl und Gemeinsinn habe.
Wer mehr über mich erfahren möchte kann gerne mit mir Kontakt aufnehmen und auf meiner Internetseite vorbeischauen: http://www.christine-class.de/“
Liebe Frau Class, wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch und wünschen Ihnen, dass Ihre Ideen nie ausgehen und ihr Tatendrang ungebrochen anhält.