BISS Jahrestagung: Altersarmut und Teilhabe älterer schwuler Männer: Hürden und Einbindung in die Community und Gesellschaft

Drei Männer stehen vor einer bunten Plakatwand auf der eine regenbogenfahene zu sehen ist und der Schriftzug 'mehr als Alt

Wolfgang Schwarz Heim, Andreas Kringe, Bernd Kraft

Unter dem Titel „Altersarmut und Teilhabe älterer schwuler Männer: Hürden und Einbindung in die Community und Gesellschaft“ fand am 12. und 13. Oktober die Jahrestagung der Bundes Interessenvertretung schwuler Senioren (BISS) in Köln statt.

Ältere schwule Männer ab 55 Jahren sind im Vergleich zu heterosexuellen Männern in der gleichen Altersgruppe stärker von Altersarmut betroffen oder gefährdet. Im Rahmen von Fachbeiträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen wurden die damit verbundenen materiellen und sozialen Entbehrungen, sowie negative Auswirkungen auf Teilhabechancen in der Community der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie anderen queeren Menschen (LSBTIQ*) in der Gesellschaft erörtert.

Die Teilnehmenden diskutierten darüber, wie sich die schwule Community dem Problem der Altersarmut entgegenstellen kann und vor welchen aktuellen Herausforderungen die selbstorganisierte Teilhabe von und für ältere schwule Männer steht. Dabei leistet die schwule Community bereits viel. Ältere schwule Männer engagieren sich bundesweit aktiv in der Zivilgesellschaft sowie in der kommunalen, Bundes- und Landes-Altersarbeit. Sowohl Einzelpersonen als auch Vereine der LSBTIQ*-Community ermöglichen durch  ihr Engagement Angebote, die Vereinsamung und gesellschaftlicher Isolation entgegenwirken. Mit der Kampagne „Mehr als Alt!“ setzt sich BISS für mehr Sichtbarkeit älterer schwuler Männer ein.

Ergebnisse der Workshops

Im ersten Workshop wurde die Altersarmut älterer schwuler Männer diskutiert. Es wurden die Auswirkungen dieser Problematik und mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung erörtert. Um die Situation zu verbessern, müssen grundlegende Sicherungssysteme wie zum Beispiel das Rentenversicherungssystemgestärkt werden. Es sollte vermieden werden, die private Vorsorge weiter auszubauen, da vor allem Menschen im unteren Drittel von Veränderungen der Rentenversicherung stark betroffen sind. Würde das derzeitige Rentenniveau um 1 Prozent absinken, müsste jemand mit Durchschnittseinkommen ein Jahr länger arbeiten, um dieselbe Rente zu erhalten. Bei jeder weiteren Absenkung wären es noch mehrere Jahre. Ist dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, könnte die Person in die Nähe der Grundsicherung geraten. Darüber hinaus brauche es eine Verbesserung zum Zugang der sozialen Leistungen, das heißt mehr Beratungsangebote, mehr Präventionsmaßnahmen und Bewusstseinsschaffung für die Belange der queeren Community. Auch der ländliche Raum muss stärker in den Fokus gerückt werden. Beispielswiese stellen lange Anfahrtswege zu geeigneten Treffpunkten eine Herausforderung dar, insbesondere wenn die finanziellen Mittel für Mobilität fehlen.

Im Hinblick auf den neunten Altersbericht wurde angeregt, die erwarteten Ergebnisse und Empfehlungen breiter zu kommunizieren. Bisherige Altersberichte sind weitgehend nur bei Fachleuten selbst bekannt.

 

Der zweite Workshop beschäftigte sich mit der Teilhabe älterer schwuler Männer sowie den damit verbundenen Bedarfen und Herausforderungen. Dabei wurden sowohl individuelle Faktoren wie Partnerschaft, Gesundheit, Mobilität, Bildung und Mittellosigkeit diskutiert, als auch strukturelle Voraussetzungen betrachtet. Hier ist besonders das Land-Stadt-Gefälle hervorzuheben. Eine „barrierefreie Gesellschaft“ wäre ebenfalls förderlich, in der sich Barrierefreiheit nicht nur in der Architektur, sondern auch in der Nutzung leichter Sprache in Texten zeigt. Ein stärkeres Bewusstsein über Diskriminierung und eine stärkere Einbindung der LSBTIQ* Community in politische Entscheidungen könnten ebenfalls zu einer Verbesserung der Teilhabe schwuler Männer an der Gesellschaft führen.

Aktionsplan "Queer leben" - wie viel Aktion steckt in ihm?

Alle Menschen sollen gleichberechtigt, frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben. Damit dies auch für LSBTIQ* möglich ist, hat das Bundeskabinett den Aktionsplan "Queer leben" verabschiedet. Ziel ist es, Diskriminierung und Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken, die Gleichstellung voranzubringen und die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu fördern. Doch wie viel Aktion steckt im Aktionsplan? Während einer Podiumsdiskussion zu drängenden Maßnahmen für ein gutes schwules Alter(n) wurde darüber diskutiert.

Aus rund 140 Interessensbekundungen wurden insgesamt 78 Verbände und Initiativen ausgewählt, um die Perspektiven von LSBTIQ*, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen in die 14 gegründeten Arbeitsgruppen einzubringen. Die Beteiligten legten viel Herzblut und Zeit in die Mitarbeit. Am Ende blieb jedoch die Ernüchterung, dass aufgrund der Kürzungen von Fördermitteln einige Ideen nicht umgesetzt werden können und aus den beschriebenen Maßnahmen „nur“ Empfehlungspapiere generiert wurden. Dazu kommt eine zunehmende Homofeindlichkeit, die sich negativ auf Teilhabestrukturen und -chancen auswirkt.

Endlich rehabilitiert!

Seit der Gründung von BISS e.V. setzt sich der Verein für die Rehabilitierung und Entschädigung Betroffener der §§ 175, 175a StGB und § 151 StGB-DDR ein.

Betroffene können sich mit Ihren Beratungs- und Unterstützungsanliegen direkt an das für die Entschädigung zuständige Referat beim Bundesamt für Justiz wenden. Dieses entschädigt Personen, die nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden, Freiheitsentziehung oder ander­weitige, außergewöhnlich negative Beeinträchtigungen erlitten haben. Oftmals haben betroffene keinen Zugang zu dieser Information. Sei es, weil sie in Heimen wohnen oder nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen, sich zu informieren. Geben Sie diese Information an Menschen in Ihrem Bekanntenkreis weiter!

Anträge auf Entschädigung können bis zum 21. Juli 2027 einschließlich gestellt werden.

Weitere Informationen

Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS)
https://schwuleundalter.de/

Aktionsplan Queer leben
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/queerpolitik-und-geschlechtliche-vielfalt/aktionsplan-queer-leben

Bundesamt für Justiz
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Entschaedigung/Homosexualitaet/Homosexualitaet_node.html

Mehr als Alt! – Kampagne für mehr Sichtbarkeit älterer schwuler Männer
https://schwuleundalter.de/mehr-als-alt/

Regenbogenportal
https://www.regenbogenportal.de/

 

* lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und intergeschlechtlichen sowie queeren Personen (Abkürzung: LSBTIQ*

Fotos: Claudius Baritz/BAFzA