Altersbilder als Vorbilder – Engagementpreis 80plus

Ein Mann hält eine ansprache an einem Rednerpult

Klaus Großjohann, Stiftung ProAlter

Unsichtbar

Vergreisung, Rentnerschwemme, Milliardenlast, die gierigen Alten, die Alten rauben den Jungen die Zukunft, und und und... Phrasen, die durch die Nachrichten und die sozialen Medien geistern. Was soll das? Auf dem 7. Deutsche EngagementTag zeigte sich, dass das bürgerschaftliche Engagement hochaltriger Personen immer noch eine untergeordnete Rolle spielt. Die gesamtgesellschaftlich oft negativ besetzten Altersbilder hindern, dem Engagement der Älteren gebührende Anerkennung zu schenken.

Viele Menschen engagieren sich auch in diesem Alter noch mit bemerkenswertem Elan – und leisten damit einen wichtigen Beitrag für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Mit hohem Einsatz und großer Kompetenz werden Aufgaben in Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft, aber auch in Vereinen, Kirchengemeinden, Initiativen, Kommunen und darüber hinaus wahrgenommen.

„Engagement ist keine Frage des Alters“

Um das vielseitige Engagement von Älteren sichtbarer zu machen, verlieh die Stiftung Pro Alter am Internationalen Tag des Ehrenamts, dem 5. Dezember, erstmalig den Engagementpreis 80plus. Damit will sie Menschen würdigen, die sich im hohen Alter bürgerschaftlich engagieren, deren öffentliche Anerkennung stärken und zur Nachahmung anregen. Mit ihrem Engagement machen sie deutlich, dass wir Menschen im hohen Alter eine Menge zutrauen dürfen und können.

„Engagement ist keine Frage des Alters“, betonte Dr. Jürgen Rembold, der mit seiner gleichnamigen Stiftung das Preisgeld von 10.000 Euro – 1000 je Preis – zur Verfügung gestellt hat.

Zehn Frauen und Männer, die alle über 80 Jahre alt sind und sich freiwillig engagieren, wurden aus 350 Einreichungen von einer Jury unter dem Vorsitz von Bundesminister a.D. Franz Müntefering ausgewählt und jetzt im Rahmen eines Festaktes im Maternus-Haus in Köln ausgezeichnet. Diese Auszeichnung möchte die demografische Bedeutung dieser Altersgruppe hervorheben und das Bild von den Langlebigen differenzierter darstellen als es in der Regel getan wird. 

„Wir haben bei vielen Vorschlägen gesehen, welche Möglichkeiten des mitverantwortlichen Lebens auch für die über 80-Jährigen bestehen, und das ist ein Teil von Lebensqualität“, betonte Müntefering bei der Preisverleihung. Kommunen, Vereine und Einrichtungen sollten das Potenzial der älteren Menschen stärker fördern. „Die Resonanz hat uns überwältig“, sagte Klaus Großjohann, Vorsitzender der Stiftung ProAlter.

Positive Effekte bürgerschaftlichen Engagements

Der Gerontologe Professor Andreas Kruse hatte in seinem Vortrag hervorgehoben, wie notwendig es für ältere Menschen ist, in einem intensiven, für sie sinnerfülltem, Austausch mit anderen Menschen zu stehen. Es helfe den Engagierten selbst, stabilisiere die physische und psychischer Gesundheit, steigere das Selbstwertgefühl und vermeidet Einsamkeit. Er betonte, dass bürgerschaftliches Engagement im hohen Alter den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärke und dass die Älteren damit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Demokratie leisten.

Die Preisträgerinnen und Preisträger

Die 83-jährige Kosmetikerin Elfi Kern aus Bempflingen in Baden-Württemberg mit ihrem Engagement für an Krebs erkrankte Frauen und ihren Aktivitäten als Lesepatin für Kinder und Jugendliche.

Der Umgang mit einer Krebserkrankung kann Menschen in große Verzweiflung stürzen, besonders wenn die Therapie zum Verlust der Haare führt.  Frau Kern engagiert sich seit 17 Jahren für Menschen mit einer Krebserkrankung. Sie tut dies, indem sie seit Jahren spezielle Kosmetikkurse ehrenamtlich anbietet. Ferner hat sie andere Menschen dazu angeregt und strickt selbst pro Jahr 30 - 40 Mützen für die onkologische Tagesklinik Tübingen. Dies bedeutet den erkrankten Menschen sehr viel, da dies als ein Akt der Solidarität und Fürsorge erlebt wird. Darüber hinaus bringt sie in Arbeitsgruppen Schülerinnen und Schüler der Seybold - Schule in Metzingen Häkeln und Stricken bei und engagiert sich zusätzlich als Lesepatin.

Der 80-jährige Wolf Lüben aus Frankfurt am Main, der sich im dortigen Bürgerinstitut im hauseigenen ambulanten Hospizdienst und in der Beratung zum Thema Vorsorgeengagiert.

Sich mit dem Thema Vorsorge zu beschäftigen ist heikel. Umso dankbarer nehmen die Menschen seine Unterstützung an. Seit 20 Jahren gilt er im Bürgerinstitut, einer der ältesten privaten sozialen Einrichtungen in Frankfurt am Main, als geschätzter Ansprechpartner für Menschen, die sich mit dem Thema „Vorsorge“ auseinandersetzen. Er führt circa 80 Beratungen pro Jahr durch und engagiert sich als ehrenamtlicher Hospizbegleiter im hauseigenen ambulanten Hospizdienst des Bürgerinstitutes.

Die 86-jährige Erika Ellinger aus Heidenheim in Baden-Württemberg, die sich seit Jahren in der Initiative OMAS GEGEN RECHTS Heidenheim für die Erhaltung parlamentarischer Demokratie engagiert.

Unsere Demokratie ist ein schützenwertes Gut. OMAS GEGEN RECHTS Heidenheim ist eine zivilgesellschaftliche, überparteiliche Initiative, gegründet 2017/2018, die sich u. a. für die Erhaltung parlamentarischer Demokratie und gleiche Rechte für alle Mitbürgerinnen und Mitbürger einsetzt, unabhängig von ihrer Religion und ethnischen Zugehörigkeit. Frau Ellinger kam auf Grund ihrer Erfahrungen als Kind zu der Initiative, wo sie mit Flucht und Vertreibung in traumatischer Weise konfrontiert wurde.

 

Die 81-jährige Helga Hecht-Nowotnick zusammen mit Käthe Zadow (82) Monika Weber (81), Helga Vomm (82) und Hedy Duhm (80), die sich bei der Tafel Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen engagieren, damit Menschen sich ausreichend mit Lebensmitteln versorgen können.

Die fünf Frauen stellen als 80plus-Gruppe mehr als 10 % der aktiven Engagierten der Tafel Wermelskirchen e. V. mit insgesamt 48 Engagierten und unterstützen die Arbeit seit vielen Jahren sehr engagiert.

Die fünf von „Seniorpartner in School“ zu Schulmediator*innen ausgebildeten Seniorinnen und Senioren aus Berlin Gerhard Claus (85), Peter Neuling (80), Gisela John (81), Berthold Denk (84) und Wolfgang Barenberg (81), die sich für einen gewaltfreien Umgang der Schülerinnen und Schüler untereinander engagieren.

Sie arbeiten ein- bis zweimal in der Woche ehrenamtlich in Schulen. In Einzelbegleitung und Gesprächen fördern sie persönliche und soziale Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern. Seniorpartner in School e.V. (SiS) ist in 13 Bundesländern mit über 1.300 Mitgliedern und einem Bundesverband vertreten.

Der 90-jährige Hans Hermann Roth aus Bremen, der in der Diakonischen Einrichtung Friedehorst in Bremen geistig und körperlich behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene betreut.

Hoffnung und Lebensfreude zu vermitteln, das ist sein Anliegen. Herr Roth, der aufgrund einer Kinderlähmung von Geburt an eine Gehbehinderung hat, sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl. In der Diakonischen Einrichtung Friedehorst in Bremen, wo er selbst eine Ausbildung als Korbflechter gemacht hat, betreut er seit 18 Jahren freiwillig mit großem Engagement geistig und körperlich behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Der 87-jährige Heinz-Peter Martin aus Hamburg, der sich bei den Bücherhallen Hamburg im Sprachförderangebot „DIALOG IN DEUTSCH“ und „MENTOR – Die Leselernhelfer Hamburg e.V.“ engagiert.

Damit Menschen, die zugewandert oder geflüchtet sind, sich in ihrer neuen Heimat integrieren können, brauchen sie Sprachkenntnisse und die Möglichkeit, die Kultur zu erleben. Herr Martinengagiert sich seit 11 Jahren als Moderator und Gruppenleiter in dem stadtweiten Sprachförderangebot „DIALOG IN DEUTSCH“. Zu den Bücherhallen Hamburg gehören 32 Bibliotheken in allen Stadtteilen, zwei Bücherbusse und die Zentralbibliothek. Während der Pandemie leitete er eine Gesprächsgruppe per Zoom und engagiert sich seit 2022 als Lesementor bei „MENTOR- Die Leselernhelfer Hamburg e.V.“

Der 80-jährige Dietmar Peikert aus Köln, der im Kölner Netzwerk von Nachbarschaftshilfen „Kölsch Hätz“ (Kölnisches Herz) aktiv ist, die eng mit den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden zusammenarbeiten.

Um Menschen vor Isolation und Einsamkeit zu schützen,engagiertsichHerr Peikert mit unermüdlichem Einsatz und aus Überzeugung. Die Initiative ist seit 25 Jahren in mittlerweile 29 Kölner Stadtteilen mit 600 Engagierten aktiv. Das Netzwerk vermittelt Kontakte und Begegnungen im Stadtviertel.

Der 82-jährige Gerd Hainke aus Magdeburg, der sich im „1. Repair Café Magdeburg“ engagiert, das 80 % der vorgestellten Geräte reparieren kann, die sonst im Müll gelandet wären.

Umweltschutz heißt auch Abfallvermeidung und das ist u.a. ein Anliegen der Repair -Cafés. Herr Hainke gehört zu den Gründungsmitgliedern. Seit 7 Jahren ist er als aktiver Reparaturexperte in der Gruppe der 12 freiwillig Mitwirkenden tätig. Seine fachliche Kompetenz und handwerklichen Fähigkeiten unterstützen die erfolgreiche Arbeit der Reparaturinitiative in großem Umfang. Es wurden circa 4000 Geräte begutachtet und davon ließen sich erstaunlicher Weise über 80%  reparieren.

Der 85-jährige Manfred Blumenthal aus Großbeeren in Brandenburg, der sich seit Jahren für die Erforschung und Vermittlung der einzigartigen Industriegeschichte Ludwigsfeldes und der dort hergestellten Produkte, wie z. B. Flugmotoren, Motorroller, Rennbootmotoren, Geländewagen engagiert.

Von August Bebel stammt der Satz: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“ Deshalb war er auch langjährig ehrenamtlich im Museum für Stadt und Technik Ludwigsfelde (MUST) in unterschiedlichen Arbeitsfeldern tätig und er ist Vorstandsmitglied des 2005 gegründeten Vereins Freunde der Industriegeschichte Ludwigsfelde e. V.

Fotos: Claudius Baritz / BAFzA

Weitere Informationen

Stiftung ProAlter
https://www.stiftung-pro-alter.de/

Dr. Jürgen Rembold Stiftung
https://www.remboldstiftung.de/